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Die Geschichte der Chöre von Großkühnau

aufgeschrieben von Ina Othold

Die Geschichte der Chöre von Großkühnau

Chorgesang gab es nicht erst seit dem 19. Jahrhundert, Chöre hat es zu allen Zeiten und in aller Welt gegeben. Im Mittelalter bildeten sich häufig Singgruppen, die den Gottesdienst feierlich mit Gesang umrahmten. Die Sänger standen meist links und rechts vor dem Altar im Chorraum der Kirche, so entstand der Begriff "Chor" für die Singgruppe. Meist waren nur Mönche und Geistliche Mitglieder des Chors.

Nach der Reformation gewannen diese Singgruppen zunehmend Bedeutung durch die Übernahme kirchenmusikalischer Aufgaben im Gottesdienst. Häufig hatte dieser Chor auch bei Festlichkeiten aller Art des bürgerlichen Lebens mitzuwirken. Die Leitung lag meistens den Händen des Kantors.

Im späten 18. Jahrhundert erwachte ein neuer starker Sinn für den Chorgesang. Er entwickelt sich nun zum Ausdruck der Volksgemeinschaft und war ein Mittel zur Volksbildung im Sinne Pestalozzis.

Oft waren die Singstunde oder der Besuch von Sängerfesten geschätzte Gelegenheiten, einem tristen Alltag zu entfliehen und gemeinsam mit Freunden und Gesinnungsgenossen frohe Stunden zu erleben. Damals war für viele Jugendliche der Beitritt zum Gesangverein der Beweis für die Aufnahme in die Welt der Erwachsenen. Oft genug wurde damit auch die Tradition der Väter fortgeführt.

1877 wurde in Gotha der Erste Deutsche Arbeiter-Sängerbund gegründet, in dem sich viele der bis dahin lose agierenden Arbeitergesangsvereine organisierten. Der Deutsche Arbeiter-Sängerbund (DAS, selten auch Deutscher Arbeitersängerbund) war eine Organisation der Arbeiterkultur, in der Arbeitergesangsvereine zusammengeschlossen waren. Seine Mitglieder pflegten neben dem politischen Lied ( Arbeiterlied ) auch volkstümliche Lieder und klassische Chorwerke. 1933 wurde dieser Bund durch die Nationalsozialisten aufgelöst.

1906 trat der Gemischte Chor von Großkühnau diesem Bund bei, aber schon früher gab es im Dorf ein gemeinsames Singen. Dies fand sicherlich in den vielen zurückliegenden Jahren in einem Kirchenchor statt.

Am 1. April 1877 gründete der Kossat Gottfried Niemann den ersten Gemischten Chor in Großkühnau. Eduard Menzel, Lehrer an der Mädchenschule, übernahm die Leitung des Chores bis1883. Danach ist der Lehrer Konrad Laute bis 1887 der Dirigent des Chores. In den Jahren 1888 und 1889 fanden in der hiesigen Kirche Konzerte statt, welche mit Blasinstrumenten begleitet wurden. Sie waren sehr gut besucht und wurden mit viel Beifall belohnt.

1904 gründete der Lehrer Paul Schwerdtfeger den ersten Männergesangsverein in Großkühnau. Er hatte 56 Mitglieder, den Vorsitz übernahm Wilhelm Steuer. Leider muss sich dieser wieder aufgelöst haben, denn 1925 gründete sich erneut ein Männergesangsverein. Im Dezember 1907 wurde das 1. Stiftungsfest des gemischten Chores gefeiert. Der Chor war 1 Jahr Mitglied im Deutschen Arbeiter- Sängerbund. Die Leitung des Chores übernahmen immer Lehrer der Großkühnauer Schule z. B. von 1907 bis 1908 der Lehrer Reinhold Matthias. Den Vorsitz zu dieser Zeit hatte Willi Ebenhan inne. Der Chor zählte 58 Mitglieder.

1919 findet mit dem Turnverein eine gemeinsame Veranstaltung statt. Es wird gesungen und eine Theaterstück aufgeführt. Der Erlös des Abends findet Verwendung für die Gestaltung und Beschaffung eines Kriegerdenkmals.

1924 gründete sich wieder ein Männerchor und konnte 100 Mitglieder aufweisen. Den Vorsitz übernahm Heinrich Kilian. Ende der 30er Jahre (2. Weltkrieg) löste er sich leider wieder auf.

Zu dieser Zeit gab es auch einen Kinderchor, welcher sich Schulchor Großkühnau nannte. Die Leitung hatte der Lehrer Herr Höhne. An vielen volkstümlichen Konzert-Abenden unterstützten sie den Gemischten Chor und sangen so zum Beispiel das Wiegenlied von Mozart.

In den 20er und 30er Jahren fanden die bekannten Liederabende, welche von Kantor Theodor Hecht ins Leben gerufen wurden, statt. Mitwirkende waren das Dessauer Konzertorchester, unter der Leitung von Wilhelm Fuchs mit 32 Musikanten, Solisten des Theaters und alle drei Großkühnauer Chöre. Es wurden Werke von Schubert und Karl-Maria v. Weber dargeboten. Die Leistungen, die an diesen Liederabenden erbracht wurden, schätzte man als sehr gut ein. Diese Abende waren auch immer sehr beliebt, und nicht nur die Großkühnauer Bevölkerung sah sich diese Vorführungen an. Zum Schluss erklang immer das Lied „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von J. Strauß.

Zu dieser Zeit gab es insgesamt 12 Vereine in Großkühnau. Ich möchte sie hier alle namentlich nennen, somit wird gezeigt, wie rege das öffentliche Leben und das gesellige Zusammensein im Ort gepflegt und gelebt wurde.

Vereinsname                                           gegründet          Mitglieder                Vorsitzender

 

Militärverein                                                1872                 50                          Gottfried Schierwagen

Turn-u. Sportverein                                     1891                 66                          Franz Krüger

Gemischter Chor                                          1906                 58                          Willi Ebenhahn

Obst-u. Gartenbau                                       1909                 84                          Karl Kersten, Otto Lorenz

Freiwillige Feuerwehr                                   1913                 35                          Reinhold Föse

Reiterclub                                                     1919                 25                          Hermann Gerngroß

Arb.u.Radfahrerverein                                   1920                 32                          Friedrich Gerngroß

Schießverein

„Frei Schütz“                                                  1921                 7                           Karl Gerngroß

Stahlhelmbund der Frontsoldaten                1924                 23                          Heinrich Schmidt

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold                  1924                 100                        Heinrich Kilian

Gesangsverein

Männerchor                                                  1925                 56                          Wilhelm Steuer

Kegelklub                                                      1925                 10                          Friedrich Gerngroß

 

Am 16. August 1931 fand ein großes Waldfest unter den Eichen zwischen Groß-u. Kleinkühnau statt. Der Anlass war das 25jährige Bestehen des Gesangvereins. Der Leiter des Gemischten Chores in den 20er Jahren war Lehrer Otto Nordmann. In den 40er Jahren lag die Leitung des Chores in den Händen von Kantor und Lehrer Karl Zwanzig.

Ende der 40er Jahre wurden die Mitglieder des Gemischten Chores wieder aktiv. Die Proben fanden jede Woche statt und man trat auch öffentlich auf.
1951 fuhr der Chor zum Sängertreffen nach Steutz und zur Wahl in Großkühnau sang man vor dem Wahllokal.
1954 fand ein großes Erntedankfest mit Umzug im Ort statt. Der Pferdewagen der Familie Ilgner war für die Mitglieder des gemischten Choes bestimmt.

Am 11. Februar 1954 wurde der Gemischte Chor dem Betrieb Waggonbau angeschlossen. Er nannte sich nun Singgruppe des VEB Waggonbau Dessau. Die Leitung hatte ab 1950 Rüdiger Flohr, die organisatorische Leitung lag bei Otto März. Um Geld in die Chorkasse zu bekommen, übte man auch wieder ein Programm ein, und führte es in den Dörfern der Umgebung auf. So entstand das wunderbare Singspiel „ Zillertaler Dirndl“. Es hatte großen Erfolg.

 

1956 feierte man ein 50jähriges Bestehen des Chores( Eintritt in den Deutschen Arbeiter-Sängerbund). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Chor 60 Mitglieder. 1961 übernahm die Chorleitung Sieghard Renner.

In den 50er und 60er Jahren gab es auch einen Kinderchor. Er wurde von der Lehrerin Frl. Weiser ins Leben gerufen. Großkühnauer und auch Kleinkühnauer Kinder sangen gemeinsam. Oftmals traten sie auch öffentlich auf, so zum Beispiel bei Festlichkeiten in der Gaststätte „Burg Reina“.

Seit dem Jahre 1956 fanden die legendären Sängertreffen am Kühnauer See, in der Badeanstalt statt. 19 Mal trafen sich Chöre aus der Umgebung und sangen um die Wette. In einem Jahr waren es sogar bis zu 13 Chöre, die nach Großkühnau kamen. Dieser Sängerwettstreit entwickelte sich zu einem richtigen Volksfest, und war ein Höhepunkt der Veranstaltungen im Sommer jeden Jahres.
Es gab selbstgebackenen Speckkuchen. Dazu gingen die Chormitglieder zu den Bauern und baten um Spenden in Form von Speck, Eier, Zwiebeln und Quark.
Der Nachmittag wurde immer sehr gesellig mit viel Spaß und Ulk gestaltet. Am Abend wurde dann das Tanzbein geschwungen.  Zum Abschluss sah man ein großes Feuerwerk. Diese Sängertreffen wurden von Otto März organisiert und viele fleißige Hände halfen dabei.
Ab1970 leitete Herr Hildebrandt die Chorgemeinschaft.

In den folgenden Jahren fehlte dem Chor dann der Nachwuchs und so löste sich der Gemischte Chor in den 90er Jahren auf. Einige Mitglieder des Gemischten Chores bildeten so auch den Großkühnauer Kirchenchor. Er wurde von 1950 bis 1961 von Rüdiger Flohr geleitet. 1950 hatte der Chor nur 6-10 Mitglieder. Nach einem Jahr intensiver Arbeit konnte man sich über 25 Mitglieder freuen. Man brachte Teile aus dem Werk „ Die Schöpfung“  von J. Haydn mit Instrumental- und Orgelbegleitung zu Gehör.
Sogar der ehemalige Kreisoberpfarrer Alfred Radeloff war für ein halbes Jahr Chormitglied. Trotz der Aufnahme eines Vorstudiums betreute Rüdiger Flohr den Kirchenchor weiter, getreu nach dem Motto:“ Bleibe bei der Stange.“ Die Zusammenarbeit in der Chorgemeinschaft war sehr gut. Dies ging bis in den privaten Bereich hinein. Als einmal die Blasebälge der Orgel kaputt waren, wurden diese notdürftig von Chormitgliedern mit einfachen Hilfsmitteln repariert.
Lotte Quick und Margarete Filz waren sehr engagierte Chormitglieder, ebenso das Ehepaar Franz und Luise Schmidt. Das Singspiel „Zillertaler Dirndl“ war die Idee dieser Chorsänger, und man hatte damit großen Erfolg.
1961 übernahm Sieghard Renner die Chorleitung, dann Herr Kautz und anschließend Herr Horst-Ferdinand Schmidt.

2006 gab es aus Anlass des 100jährigen Bestehens des Chores in der Kirche Großkühnau eine kleine Ausstellung zu sehen. In einem Festgottesdienst wurde dieses Ereignis gefeiert. Herr Rüdiger Flohr erzählte der Gemeinde von seiner sehr engagierten und wunderbaren Arbeit mit dem Chor. Es war ein sehr interessanter Vortrag in dem die Gemeinde viel über die Geschichte des Chores erfuhr. Mangels Nachwuchs gibt es auch leider keinen Kirchenchor mehr.

Und wie sieht es heute aus? Vereine, die sich dem Gesang widmen, sind rar geworden.  Wer Musik liebt, kann sich diesen Wunsch per Knopfdruck erfüllen. Wer Unterhaltung sucht, ist nicht auf die Hilfe des Vereins angewiesen, sondern er findet ein reichhaltiges Angebot. Die Mobilität, die das Auto schenkt, ermöglicht es, auch weit über den Wohnort hinaus Angebote zur Freizeitgestaltung zu nutzen. In den Familien spielt Tradition keine große Rolle mehr. Das Sprichwort "wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen" hat nicht nur für die Gesangvereine seine Bedeutung weitgehend verloren. Schade!

 

I. Otholt

 

Quellen:

- Michael Frisch: 1000 Jahre Chronik und Genealogie des Dorfes Großkühnau

- R. Gärtner, Sängerbund Flein

Literatur:

- Herzinger, Hans: Gesangverein - nein danke? in: Schwäbische Sängerzeitung 11/1991

- Wörner, Karl H.: Geschichte der Musik Göttingen

- Blume, Friedrich: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Kassel 1989

Otto März, Ursula Michalik, Lotte Quick

© Matthias Palmer E-Mail